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Geschrieben von seasonsoftime am 30.12.2019 um 16:10:

cool Wie komponiert MO lange Songs

Moin,

ich frage mich seit ein paar Tagen, wie MO seine längeren Stücke komponiert.
Habe im Netz nix darüber finden können. verwirrt
Schreibt er chronologisch, also Part für Part( Part A, Part B, Part C usw.), wie es später auf der CD erscheint, oder sammelt er einzelne Parts (Part D, Part A, Part G, Part C etc.) und puzzelt die dann so zusammen, wie sie später auf der CD erscheinen?

Bin mal gespannt, ob mir hier jemand weiterhelfen kann, da mein Post in der MO-Facebook-Gruppe nicht veröffentlicht wurde. Koppkratzen

Liebe Grüße
Dirk



Geschrieben von Dr. Lothar Jahn am 30.12.2019 um 18:08:

 

Er hat das mal irgendwo beschrieben, weiß jetzt leider nicht mehr wo. Dort schrieb er, dass er zunächst eine Grundspur mit Rhythmus und Akkorden aufnimmt und eine Melodie, dann probiert er nach und nach alles mögliche aus, bis es gut zusammenklingt. Also nicht der Klassiker, der erstmal alles aufs Notenblatt bringt, sondern der kreative Prozess hat etwas Improvisatorisches.

Das heißt nicht, dass er ahnungslos im Blauen herumstochert. Natürlich weiß er auch, dass Terzen gut zusammenklingen, wie man parallele Stimmen ergänzt. In Changeling schreibt er, dass ihn Beethovens Symphonik inspiriert hat und er sich gewünscht hatte, klassische Kompositionsprinzipien der Variation auf Themen aus Rock und Folk anzuwenden, was er auch tut.

Z.B.
- Augmentation (ein Thema wird in verlangsamter Form wiedergegeben, siehe Five Miles Out nach dem Lullaby);
- das selbe Thema wird mit unterschiedlichen Harmonien unterlegt (siehe "To-France"-Thema bei "Talk about your life";
- ein Motiv wird durch kleine Veränderungen "zitiert", bleibt aber in veränderter Form noch erkennbar - so die Varianten vom TB-Eingangspattern in den unterschiedlichen TB-Fassungen, aber auch am Anfang von "Crises" in Dur und am Anfang von "Music of the Spheres";
- Symphonische Großformen werden aufgegriffen, gerne mal die Brückenform (am Ende kommt eine Variation des Anfangsteils) oder bei Ommadawn die Sonatensatzform (zwei Themen werden in der Exposition einander gegenübergestellt, aus beiden Themen wird in einer Durchführung das melodische Material gewonnen, das auf neue Weise miteinander kontrastiert oder sich verbindet).
- fast immer arbeitet er mit Verdichtung, das heißt über längere Passagen gibt es eine Entwicklungsdynamik, es treten bei jeder neuen "Strophe" immer mehr Instrumente und Begleitstimmen hinzu, bis eine Klimax erreicht wird.

Dies nur als ein kleiner Einstieg in die Thematik.



Geschrieben von sentinel101 am 30.12.2019 um 18:13:

  RE: Wie komponiert MO lange Songs

Dazu finde ich dieses Video aus der TSODE-Phase recht aufschlussreich:
https://www.youtube.com/watch?v=ZbJeHL6iJi8

Scheint ein recht organischer Vorgang zu sein, ohne den großen Masterplan am Anfang.

*Seufz* ... wird echt Zeit, dass er mal wieder was von sich hören lässt.

Grüße
Micha



Geschrieben von Ferb am 11.02.2022 um 20:21:

 

Aber wann schreibt oder besser schrieb er seine langen instrumentalen aber auch kurzen Stücke? Sind ihm vom Ende der 70er bis Discovery die Ideen immer auf den vorherigen Tourneen gekommen, so wie bei den Beatles, die bis Mitte der 60er ihre LPs fast immer in den Hotelzimmern komponiert haben.

Stelle ich mir bei der Komplexität viele seiner Werke schwer vor, vor allem gibt es von Platte zu Platte ja auch beachtliche Stilbrüche.



Geschrieben von Altfeld am 17.02.2022 um 19:02:

 

Ich meine, mich zu erinnern, dass er in einem Interview im BR 1984 (zur VÖ von Discovery) auf genau diese Frage von Fritz Egner so in etwa antwortete, er habe immer einen Stift dabei, damit er stets, wenn er irgendwo eine Idee hat, diese schnell auf das Zigarettenpapier notieren konnte. Und er sagte, er hätte ständig und überall musikalische Ideen, und im Laufe der Zeit kommen dann eben eine Menge Zettel zusammen, mit denen er dann weiterarbeitet. Ich fand das damals faszinierend, aber inwieweit es seine Standardmethode gewesen sein mag, tja, wer weiß....



Geschrieben von Shadow on the Wall am 18.02.2022 um 09:31:

 

Wieviele Ideen da wohl versehentlich in Rauch aufgegangen sind? lol2



Geschrieben von Schwingengleiter am 18.02.2022 um 17:01:

 

Zitat:
Original von Ferb
Aber wann schreibt oder besser schrieb er seine langen instrumentalen aber auch kurzen Stücke? Sind ihm vom Ende der 70er bis Discovery die Ideen immer auf den vorherigen Tourneen gekommen, so wie bei den Beatles, die bis Mitte der 60er ihre LPs fast immer in den Hotelzimmern komponiert haben.

Stelle ich mir bei der Komplexität viele seiner Werke schwer vor, vor allem gibt es von Platte zu Platte ja auch beachtliche Stilbrüche.


Was ich tatsächlich heftig finde ist, wie er in der Sturm- und Drangphase bis 1984 zwischen den Tourneen neue Stücke komponieren oder entwickeln und aufnehmen konnte. Zudem er ja nicht alles alleine gespielt hat, sondern andere Musiker auch involviert hatte. Die müssen ja Noten oder irgendwas gehabt haben. Genau das WIE würde mich hier brennend interessieren.



Geschrieben von manintherain am 19.02.2022 um 13:57:

 

Mike hat früher schon mehrfach erzählt, dass er seine Einfälle auf der Verpackung seines Zigarettenpapiers (Rizla) festhält, sie sammelt und anschließend entweder in einer Schublade oder einem Glas aufhebt. Wenn es dann Zeit für ein neues Album ist, holt der die Verpackungen heraus und schaut, was er damit machen kann.

Ein Interview (wenn auch in schlechter Qualität) ist auf dem Schiff Hispaniola auf der Themse entstanden, wo Virgin Records das 10-jährige Jubiläum von Tubular Bells gefeiert hat:

https://youtu.be/b0EBZH2Iwmw?t=159

Ein anderes Interview greift dieses Thema ebenfalls auf:

https://www.innerviews.org/inner/oldfield.html

Augenzwinkern



Geschrieben von blinky am 19.02.2022 um 14:12:

 

Davon hat auch Tom Newman erzählt:



https://youtu.be/UQLDGpcgNTM?t=1590



fröhlich



Geschrieben von Tarantoga am 19.02.2022 um 22:05:

 

Ich glaube, wenn man so ein unglaublich musikalisches Gehirn hat, ist alles, was man so hört oder, was einem beim Spielen auf seinem Instrument so einfällt, ganz anders abgespeichert und abrufbar, als man sich das als "normaler" Mensch so vorstellen kann.

Wer selbst ein Instrument spielt und sich wirklich intensiv damit beschäftigt, kennt das ansatzweise. Zum Beispiel, wenn man abends vor dem Einschlafen noch ein paar Passagen oder Riffs mental im Kopf durchspielt.

Wie das im Kopf und im Gedächtnis von solch musikalischen Genies wie Oldfield abläuft, kann man sich nur schwer vorstellen.
Auf jeden Fall sicher ganz anders, als bei den meisten anderen Menschen.

Ob er da wirklich irgendwelche Notizen auf Zigarettenpapier benötigt? Keine Ahnung. Auf jeden Fall passt auf so ein Stückchen Papier nicht viel drauf.

Hingegen weiß man von Mozart und anderen musikalischen Inseltalenten, dass sie viel größere und komplexere musikalische Inhalte einfach - ohne jede Notiz - im Kopf behalten konnten.

Würde mich nicht wundern, wenn das Mike ganz genau so wäre smile



Geschrieben von Little Joe am 19.02.2022 um 22:07:

  RE: Wie komponiert MO lange Songs

Zitat:
Original von seasonsoftime
Moin,

ich frage mich seit ein paar Tagen, wie MO seine längeren Stücke komponiert.
Habe im Netz nix darüber finden können. verwirrt
Schreibt er chronologisch, also Part für Part( Part A, Part B, Part C usw.), wie es später auf der CD erscheint, oder sammelt er einzelne Parts (Part D, Part A, Part G, Part C etc.) und puzzelt die dann so zusammen, wie sie später auf der CD erscheinen?

Liebe Grüße
Dirk


Seine Arbeitsweise was das komponieren/erarbeiten der Musik für ein neues Album angeht, lässt sich, kurz zusammen gefasst, in etwa so beschreiben:

Er beginnt damit, dass er sich alles an Ideen, Gedanken und Geistesblitzen für das nächste Album, wann, wo und auf was auch immer, notiert. Vermutlich hat er sogar bei sich zu Hause ein paar Stifte auf dem stillen Örtchen liegen, um seine spontanen Eingebungen auf dem „längsten Notizzettel der Welt“ festhalten zu können.

Anschließend sichtet und sortiert er die Ideen,Textfragmente, Melodiefolgen etc. die er auf den diversen Zetteln, Zigarettenschachteln Servietten, Notizbüchern, dem 3-lagigen...(egal) notiert hat. Danach geht er mit den als gut befundenen Ideen ins Studio und fängt mit einer Art Grundversion, einem Basic Track an, meistens beginnend mit der Rhythmusmaschine. Er überlegt sich, welche Instrumente dazu passen könnten und spielt diese erst einmal selbst aufs Band. Er improvisiert mit der E-Gitarre darüber, nimmt Sounds weg, fügt neue hinzu, so lange bis das musikalische Grundgerüst fertig ist.

Anschließend sucht er sich die passenden Musiker, die er dafür braucht um die endgültige Version aufzunehmen. Und ganz am Schluss entscheidet er wie die einzelnen Teile zusammenpassen könnten. Ähnlich einem Puzzlespiel oder einer Skulptur. Man hat einen rohen, unbehauenen Stein, dann meißelt man die Grundzüge heraus und schließlich werden die Ecken und Kanten so lange bearbeitet bis sich ein einheitliches und stimmiges Bild ergibt.

Das gilt in dieser weise natürlich zunächst für die langen, komplexen Kompositionen. Eine Single muss von vorne herein eine Einheit bilden. Text, Hauptmelodie, Sänger oder Sängerin als Fundament und alles andere baut er dann drum herum.

So beschreibt er in diversen Interviews im Zeitraum 1979 – 1983 seine Arbeitsweise bzgl. komponieren/arrangieren neuer Musik.



Geschrieben von Alrik Fassbauer am 03.03.2022 um 11:45:

 

Ich habe großen Respekt vor allen, die komponieren können ( = Noten aufschreiben können ) oder auch nach Noten spielen können.

Ich kann es leider nicht, bei meinem Gitarrenkurs als End-Teenager mußte ich leider alles auswendig lenen ... Und obwohl ich Musik als Kurs in der Schule in der 5. & 6. Klasse hatte, habe ich nie gelernt, Musik nach Noten aufzuschreiben ... Schade drum, denn Melodien fallen mir immer mal wieder schöne ein , auch im Traum ...



Geschrieben von Tarantoga am 03.03.2022 um 16:37:

 

Zitat:
Original von Alrik Fassbauer
...
Schade drum, denn Melodien fallen mir immer mal wieder schöne ein , auch im Traum ...


... Musik zu notieren - insbesondere, wenn es nur um Melodien geht, ist keine Raketenwissenschaft.
Das könntest du sicher lernen.
Wenn du Gitarre spielst, kannst du ja auch als Tabulatur notieren, was noch einfacher ist.

Für komplexere Sachen gibt es auch Hilfsmittel, mit denen man z.B. über MIDI die eigenen Ideen auf einem Instrument spielt und dann die MIDI-Spur in Form von Noten weiter bearbeitet.



Geschrieben von Ecki am 05.03.2022 um 13:53:

 

OT:

Ein wunderbarer Einstieg in die Musiktheorie, insbesondere für Gitarre, ist dieses Buch von Wolfgang Meffert: https://www.amazon.de/gp/product/3869470968/ref=ppx_yo_dt_b_asin_title_o02_s00?ie=UTF8&psc=1

Hier wird nicht nur Theorie kompakt und verständlich erklärt, sondern auch das Warum.

Ein Augen- und Ohrenöffner.

Leider ersetzt auch dieses Buch weder das Üben (Spielen des Instruments, Verinnerlichung der theoretischen Inhalte und versiertes Anwenden derselben) noch das fehlende Talent. Womit meine beiden größten musikalischen Schwächen benannt wären. Aber es hilft ungemein, wenn man sich in dieser Richtung verbessern möchte.



Geschrieben von Alrik Fassbauer am 20.03.2022 um 22:30:

 

Danke. Habe ich mir gleich gewunschlistet. Augenzwinkern


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