Deutsches Mike Oldfield Forum (https://www.oldfield-forum.de/index.php)
- Mike Oldfields Welt (https://www.oldfield-forum.de/board.php?boardid=1)
-- Mike Oldfield Tech Talk (https://www.oldfield-forum.de/board.php?boardid=10)
--- Mikrotonalität - Der perfekte Klang? (https://www.oldfield-forum.de/thread.php?threadid=5288)


Geschrieben von Tarantoga am 17.04.2018 um 09:41:

  Mikrotonalität - Der perfekte Klang?

Achtung: Es folgt ein wenig Musiktheorie. Wen das nicht interessiert, bitte weiterklicken ;-)

Ich habe mich in den letzten Tagen mal intensiver mit einem Thema beschäftigt, das mich schon zu Studienzeiten sehr interessiert hat:

Es geht um nichts Geringeres als die perfekte tonale Stimmung von Instrumenten.

Mit diesem Problem kämpfen (europäische) Musiker schon seit 400 Jahren, und es gibt nicht wenige, die mit der im allgemeinen anerkannten und akzeptierten Lösung gar nicht glücklich sind.

Das Problem besteht im Grunde darin, dass es mit einer mathematisch perfekten Stimmung aller Töne eines Instruments nicht möglich ist, in verschiedenen Tonarten zu spielen.
Das betrifft alle Instrumente, die mit festen Tonhöhen arbeiten, also zum Beispiel das Klavier oder die Gitarre. Ausnahmen sind frei intonierbare Instrumente wie Streichinstrumente oder Fretless-Bässe. Auf ihnen kann der Musiker die Höhe des gespielten Tons millimetergenau, oder besser Cent-genau selbst bestimmen.

Die Lösung des Problems fand man (ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen) darin, dass alle Töne der Tonleiter auf diesen Instrumenten ein klein wenig verstimmt wurden. Dabei weichen einige Intervalle (Tonabstände) mehr von ihrer perfekten Stimmung ab (Terzen) und andere weniger (z. B. Quinten).

Auf diese Weise wurde es möglich, Musikstücke in unterschiedlichen Tonarten auf ein und demselben Instrument zu spielen.
Bach demonstrierte das dann auch in seinem "Wohltemperierten Klavier". Wohltemperiert heißt hier also nicht gut angewärmt Augenzwinkern sondern in der Stimmung angepasst. Dementsprechend enthält diese Sammlung dann auch je 12 Präludien und Fugen, jeweils in einer anderen Tonart. Es war also eine Art "Machbarkeitsstudie".

Mittlerweile gibt es aber immer mehr Musiker, die zurück zu einer harmonischeren, besseren oder gar perfekten Stimmung ihrer Instrumente wollen. Dazu werden zum Beispiel im Grunge häufig die Gitarren ganz leicht verstimmt.
Elektroniker haben es da einfacher, weil sie die Stimmungen ihrer Synths oft manuell leicht verstellen können.

Aber auch Gitarristen haben Möglichkeiten. So gibt es eine ganze Reihe von seriell oder manuell hergestellten Gitarren, die zusätzlich zu den Standardbünden auf dem Griffbrett weitere Bünde haben, mit denen andere (reinere) Stimmungen spielbar sind.

Das kann man sich zum Beispiel hier ... ganz gut anschauen.

Hier gibt es einen Vergleich unterschiedlicher Stimmungen ... passenderweise anhand eines Stücks von Bach.

Auf YT findet man noch viele weitere Beispiele von Musikern, die auf zum Teil abenteuerlich aussehenden Gitarren vorführen, wie unsere Musik heute klingen könnte, wenn man sich nicht irgendwann mal auf die Imperfektion der temperierten Stimmungen geeinigt hätte.

Manches klingt zunächst sehr fremd, aber man hört sich nach kurzer Zeit ein und dann ist es wirklich ganz cool. Versprochen!

Stephen James Taylor - Quantum 7 ...



Geschrieben von matsbuti am 17.04.2018 um 12:53:

 

Waren es nicht 24Präludien und Fugen? Also alle zwölf Tonarten in je Dur und Moll. (So Klugschei... aus).
Aber Danke für den post. Ich ziehe mir die links mal rein. Klingt interessant.



Geschrieben von Tarantoga am 17.04.2018 um 16:07:

 

Zitat:
Original von matsbuti
Waren es nicht 24Präludien und Fugen? Also alle zwölf Tonarten in je Dur und Moll. ...


Oder so, ich bin seinerzeit beim Klavierunterricht nur bis zu den ersten drei gekommen ... Augenzwinkern

Aber du hast natürlich völlig recht. Daumen hoch



Geschrieben von matsbuti am 17.04.2018 um 16:41:

 

Habe mir mal die Videos angeschaut. Für unsere Ohren schon sehr gewöhnungsbedürftig. Habe ich das richtig verstanden: die Oktave bildet das "Gerüst" (also z.B. 440 und 880 Hz) , und alle Töne dazwischen haben nun mathematisch den selben Abstand? Und wiederum bei der uns bekannten Tonleiter sind die Intervalle nicht gleich groß?

Kann mich erinnern mein YAMAHA DX7 hatte so eine Funktion für unterschiedliche Stimmungen.



Geschrieben von blinky am 17.04.2018 um 17:33:

 

Sehr schöne Links. Mir war nicht bewusst, dass es sogar bundierte Gitarren gibt, die eine andere Stimmung erlauben.

Der mathematische Hintergrund des Ganzen, verbirgt sich hinter dem Begriff des Pythagoreischen Kommas.

Daumen hoch



Geschrieben von Zephro_C. am 23.04.2018 um 22:46:

 

Zitat:
Original von matsbuti
Habe mir mal die Videos angeschaut. Für unsere Ohren schon sehr gewöhnungsbedürftig. Habe ich das richtig verstanden: die Oktave bildet das "Gerüst" (also z.B. 440 und 880 Hz) , und alle Töne dazwischen haben nun mathematisch den selben Abstand? Und wiederum bei der uns bekannten Tonleiter sind die Intervalle nicht gleich groß?

Kann mich erinnern mein YAMAHA DX7 hatte so eine Funktion für unterschiedliche Stimmungen.


Ich erinnere mich dunkel an eine Vorlesung während meines Studiums. Ich weiß nicht mehr ob es um digitale Signalverarbeitung oder um Harmonielehre ging. Wenn ich mich richtig erinnere ist es irgendwie so, dass sich unser die C-Dur Tonleiter als Grundlage für unser Notensystem sehr stark am physikalischen Obertonspektrum des Tons C. Heißt die Töne der Tonleiter sind im Obertonspektrum des Grundtons vorhanden. Ich kann mich aber auch täuschen. Wenn ich es jedoch richtig sehen, kann man es hier in der Spektralanalyse auch sehr schön sehen.

Das ist im Grunde, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, auch die physikalische Erklärung dafür, warum bestimmte Töne mit einander harmonieren und andere nicht.



Geschrieben von Tarantoga am 23.04.2018 um 23:04:

 

Zitat:
Original von Zephro_C.
Wenn ich mich richtig erinnere ist es irgendwie so, dass sich unser die C-Dur Tonleiter als Grundlage für unser Notensystem sehr stark am physikalischen Obertonspektrum des Tons C.
...


Tatsächlich trifft das auf jede diatonische Tonleiter zu. Und es funktioniert auch mit jeder Tonart. Nur in der reinen Form eben auch nur in dieser einen Tonart. Man könnte ein Klavier auch in Fis-Dur ganz rein stimmen und es würde in dieser Tonart toll klingen. Nur eben leider in allen anderen Tonarten nicht mehr.

Das erreicht man eben durch die temperierte Stimmung, bei der ALLE Intervalle bzw. Tonarten leicht "verstimmt" sind, mit der Folge, dass alle auf dem einen Instrument spielbar sind und sich das für unsere Ohren ganz OK oder sogar richtig gut anhört.

Übrigens sind Pianos nicht nur in diesem Sinne, sondern auch noch auf andere Weise "verstimmt". Bei den meisten Klavierstimmungen werden nämlich die tiefen Töne etwas zu tief und die hohen etwas zu hoch gestimmt.

Das Ganze ist auch unter dem Namen "Railback Stretch ... bekannt.

Ein sehr spannendes Thema, wenn man sich mal ein bisschen eingearbeitet hat. Die meisten Menschen finden es wahrscheinlich trotzdem langweilig, weil a) für den Alltag nicht relevant und b) mit Mathematik verbunden ... großes Grinsen



Geschrieben von Kniefall am 23.04.2018 um 23:38:

 

Ich finde diesen Thread oberspannend und warte nur darauf, dass ich mal Muße habe, alle Links durchzuarbeiten. Danke fürs Einstellen herzbubbern



Geschrieben von Zephro_C. am 25.04.2018 um 11:13:

 

Zitat:
Original von Tarantoga
Zitat:
Original von Zephro_C.
Wenn ich mich richtig erinnere ist es irgendwie so, dass sich unser die C-Dur Tonleiter als Grundlage für unser Notensystem sehr stark am physikalischen Obertonspektrum des Tons C.
...


Tatsächlich trifft das auf jede diatonische Tonleiter zu. Und es funktioniert auch mit jeder Tonart. Nur in der reinen Form eben auch nur in dieser einen Tonart. Man könnte ein Klavier auch in Fis-Dur ganz rein stimmen und es würde in dieser Tonart toll klingen. Nur eben leider in allen anderen Tonarten nicht mehr.

Das erreicht man eben durch die temperierte Stimmung, bei der ALLE Intervalle bzw. Tonarten leicht "verstimmt" sind, mit der Folge, dass alle auf dem einen Instrument spielbar sind und sich das für unsere Ohren ganz OK oder sogar richtig gut anhört.

Übrigens sind Pianos nicht nur in diesem Sinne, sondern auch noch auf andere Weise "verstimmt". Bei den meisten Klavierstimmungen werden nämlich die tiefen Töne etwas zu tief und die hohen etwas zu hoch gestimmt.

Das Ganze ist auch unter dem Namen "Railback Stretch ... bekannt.

Ein sehr spannendes Thema, wenn man sich mal ein bisschen eingearbeitet hat. Die meisten Menschen finden es wahrscheinlich trotzdem langweilig, weil a) für den Alltag nicht relevant und b) mit Mathematik verbunden ... großes Grinsen


Okay, wenn ich das dann richtig verstanden habe, habe ich mich tatsächlich richtig erinnert.

Das mit der wohltemperierten Stimmung geht mir schon ein Für Saiteninstrumente ist das in den meisten Fällen wahrscheinlich auch noch gut umzusetzen. Bei Blasinstrumenten ist es aber wahrscheinlich eher schwierig, kann ich mir denken. Gerade, wenn es um Flöten oder ähnliches geht.

Ich finde es auch immer interessant, sowas in Hörbeispielen zu hören. Vor Allem, weil man in manchen Fällen wirklich ein seltsames unbehagen spüren kann, wenn man auf die wohl temperierte Stimmung konditioniert ist.

In Teilen muss ich dabei auch an eine Reportage denken, die ich einmal zu Musikstücken für präparierte Flügel gesehen habe. Hier gab und gibt es Komponisten, die Stücke speziell für eine bestimmte Art von Präparierung schreiben. Hier werden die Saiten teils mit Schrauben, Gummis oder ähnlichem so präpariert, dass sie mehr oder minder seltsame Geräusche von sich geben. Hier gibt es wohl einen Komponisten, der in dieser Richtung besonders viele Stücke komponiert hat. Leider ist mir der Name entfallen.

Alles in Allem finde ich solche Tehmen aber sehr wichtig, weil sie zeigen, dass Musik im Grunde nur einem Strengen Regelkorsett folgt, weil sich das irgendwann mal jemand ausgedacht hat. Im Grunde ist das Thema aber ein Bereich ohne Grenzen. Manchmal ist es jedoch schwer sich davon frei zu machen.

Ein Gutes Beispiel dafür ist Mark Applebaum.

Aber das führt etwas wiet weg vom Thema.



Geschrieben von Tarantoga am 25.04.2018 um 17:10:

 

Zitat:
Original von Zephro_C.
...
Das mit der wohltemperierten Stimmung geht mir schon ein Für Saiteninstrumente ist das in den meisten Fällen wahrscheinlich auch noch gut umzusetzen. Bei Blasinstrumenten ist es aber wahrscheinlich eher schwierig, kann ich mir denken. Gerade, wenn es um Flöten oder ähnliches geht.
...


Auch Blasinstrumente sind heute temperiert gestimmt. Aber das war nicht immer so. Deshalb findet man in alten Notenmaterial (Barock und früher) auch häufig Angaben zu den zu verwendenden Varianten der Blasinstrumente.
Es gab dementsprechend zum Beispiel A-, D-, C- oder Es-Klarinetten, die verwendet werden mussten, damit das Instrument auch zusammen mit anderen Instrumenten gut klingt.

Der Komponist mit den präparierten Klavieren war übrigens John Cage. Die Sachen klingen allerdings sehr speziell und für die meisten Ohren wohl eher "suboptimal" großes Grinsen


Forensoftware: Burning Board 2.3.6, entwickelt von WoltLab GmbH